Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Wandzeitung und Redebeitrag

Fünfsprachige Wandzeitung der IL Rhein-Neckar zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen

Zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen haben wir in Mannheim Wandzeitungen in fünf verschiedenen Sprachen angebracht, um auf die sich in dieser abbildende alltägliche Brutalität des Patriarchats hinzuweisen. Darüber hinaus waren wir bei der Kundgebung der Initiatiative Soziale Kämpfe, bei der wir in einem Redebeitrag über die Zuspitzung dieser Gewalt bis zum Femizid gesprochen haben. Den Text der Wandzeitung sowie unseren Redebeitrag dokumentieren wir im Folgenden.

Wandzeitung

Am 25.11. findet seit 1981 jedes Jahr der INTERNATIONALE TAG GEGEN GEWALT AN FRAUEN statt. Warum ist so ein Tag notwendig?
Seit ihrem 15.Lebensjahr hat jede dritte Frau in Deutschland körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt. Im Durchschnitt versucht jeden Tag ein Mann eine Frau zu töten. Auch hier in Mannheim – so hat erst dieses Jahr am 5.6. ein Mann in Neckarau seine Ex-Partnerin getötet. Der Mord von Männern an Frauen wird FEMIZID genannt. Wichtig ist, dass Femizide – wie es so oft in der Presse zu lesen ist – keine „Familientragödien“ sind, sondern die krassesten Fälle der alltäglichen Gewalt gegen Frauen. Diese Gewalt ist Teil einer Gesellschaft, in der Frauen noch immer systematisch unterdrückt werden. Sowohl die Stadt Mannheim als auch die Bundesregierung unternehmen dagegen viel zu wenig. Frauenhäuser, in denen Frauen Schutz vor Gewalt finden können, sind unterfinanziert. Für viele Frauen ist deshalb gar kein Platz da, und kostenlos sind sie auch nur für Frauen, die Sozialleistungen beziehen. Auch gibt es von der Regierung nicht einmal einen Aktionsplan, was gegen die Gewalt an Frauen unternommen werden kann. Die bestehende Angebote gilt es so gegen Angriffe zu verteidigen. Wenn du selbst von Gewalt gegen Frauen betroffen bist, erreichst du den Frauennotruf unter der Nummer 116 016 oder kannst dich an das Mannheimer Frauen­informations­zentrum wenden.
Von der Regierung können wir also nichts erwarten – schließen wir uns zusammen und wehren uns gegen die Gewalt! Kämpfen wir für ausreichend Plätze in den Frauenhäusern und für ein Ende der Femizide! Kämpfen wir gegen die Unterdrückung der Frau – am
25.11. und jeden Tag! Am 25.11. wird es ab 18 Uhr eine Kundgebung am Plankenkopf geben. Kommt dort hin und protestiert gegen die Gewalt an Frauen!

Redebeitrag

In Deutschland versucht im Schnitt täglich ein Partner, Expartner oder Stalker einer Frau diese zu töten. An jedem dritten Tag wird dieser Versuch vollendet. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner, Expartner oder Stalker getötet. Auch in Mannheim gab es in diesem Jahr bereits zwei Vorfälle. In der Neckarstadt West überlebte eine Frau den Angriff, auf der Neckarau wurde eine Frau von ihrem Partner getötet.

Diese besondere Form patriarchaler Gewalt wird als Femizid bezeichnet. Ein Femizid ist nicht einfach nur der Mord an einer Frau, sondern ein Mord mit einem misogynen, also frauenfeindlichen, Motiv. Femizide sind nicht einfach nur - wie so häufig fälschlicherweise in den Medien zu sehen ist - Beziehungsdramen mit tragischem Ausgang. Sie sind gezielte Machtausübung von Männern über Frauen im Patriarchat. Sie sind geziele Morde, weil Männer Besitz- und Herrschaftsansprüche über Frauen erheben. Und jeden Tag wird dieser patriarchale Machtanspruch gewaltsam verteidigt, jeden dritten Tag wird er tödlich verteidigt.

Femizide nehmen im Patriarchat eine bestimmte Rolle ein. Meistens töten Männer ihre Partnerin dann, wenn sie die Beziehung beendet. Die Täter begreifen die Frau, mit der sie eine Beziehung haben, als ihr Eigentum, über das sie die volle Verfügungsgewalt haben. Oft geht dem Femizid bereits eine gewaltvolle Beziehung voraus, in der Männer auf sozialer, psychischer und körperlicher Ebene Gewalt ausüben, um ihre Partnerin zu kontrollieren. Der Moment der Trennung ist eine Möglichkeit für Frauen diese Gewaltspirale zu verlassen, und die Macht des Mannes über sie zu brechen. Der Entzug aus der Sphäre, in der mittels partnerschaftlicher Gewalt Herrschaft von Männern über Frauen ausgeübt werden kann, bringt diese Gewalt manchmal dann vollends zum eskalieren. Der Täter will nicht hinnehmen, dass sein Kontrollanspruch gebrochen wurde, er will nicht hinnehmen, dass er keine Macht mehr über seine Partnerin hat, und entscheidet sich für die maximale Eskalation. Er tötet seine Partnerin, und manchmal auch ihre Kinder oder eine*n neuen Partner*in mit. Der Femizid trifft nicht nur die getötete Frau und nicht nur die getöteten Kinder oder neuen Partner*innen, er trifft alle, die im Patriarchat beherrscht werden. Ein Femizid trifft Frauen und TINA-Personen in gewaltvollen Beziehungen, weil ihre Täter sich vom Täter des Femizids in der Ausübung ihres Herrschaftsanspruchs bestätigt sehen. Ein Femizid diszipliniert alle, die im Patriarchat unterdrückt werden, weil er vor Augen führt, wie alltäglich die maximale Gewalt ist. Ein Femizid zeigt immer wieder auf, dass wir im Patriarchat leben, und dass Männer ihren Herrschaftsanspruch gewaltsam verteidigen.

Auf den Staat ist hier kein Verlass. Erst vor 2 Jahren wurde der Antrag auf eine bundesweite Beobachtungsstelle von der CDU, der damals größten Fraktion im Bundestag, bei einer Fachausschussitzung abgelehnt. Noch nicht einmal der Begriff Femizid wurde anerkannt. Generell existieren zwar Strukturen, die Gewaltschutz bieten sollen, in der Praxis gibt es dabei aber viele Probleme. Die Einrichtungen sind dauerhaft überlastet und unterliegen einem Stadt-Land-Gefälle. Es gibt zu wenig Personal und zu wenig Geld. Es gibt keine Rechtsansprüche auf Schutzplätze und psychologische Betreuung für Überlebende gibt es auch viel zu wenig. Dazu kommt noch, dass wer keine Sozialleistungen bekommt, seinen Schutzplatz im Frauenhaus selbst bezahlen muss. Wer gerade so über die Runden kommt, kann sich das schlichtweg nicht leisten. Ein Hohn, wenn man bedenkt, dass Frauen in gewaltsamen Beziehungen oft auch finanziell von ihrem Partner abhängig sind.

Natürlich liegt die Lösung des Problems nicht allein in staatlichen Gewaltschutzstrukturen, aber sie wären in der Lage Femizide zu verhindern und Leben zu retten. Die Ampel verspricht im Koalitionsvertrag Besserung - was daraus wird bleibt abzuwarten.

Wir müssen aber gar nicht darauf warten, dass die vermeintlich linke Regierungskoalition den Status quo der Gewaltschutzstrukturen etwas weniger schlecht gestaltet. Wir können uns organisieren, und uns wehren. Wir können Femizide als solche erkennen, ihre Rolle im Patriarchat verstehen und sie bennenen. Wir können dafür kämpfen, dass die Gesellschaft versteht, wie Männer im Patriarchat ihre Herrschaft gewaltsam verteidigen. Wir können antifeministische Strukturen angreifen und zerschlagen. Wir können unsere Vorstellung einer geschlechtergerechten Welt erkämpfen!

Jeder Femizid ist einer zuviel - Lasst uns gemeinsam das Patriarchat zerschlagen!