Redebeitrag zur Demonstration "Zukunft erkämpfen - Linker Haken für rechte Kräfte"

Demo Zukunft erkämpfen! Linker Haken gegen rechte Kräfte

Am 8.6. gingen wir zum Abschluss der Kampagne "Zukunft erkämpfen - Linker Haken für rechte Kräfte" mit unseren Genoss*innen des OAT Mannheim auf die Straße, um am Vorabend der Kommunal- und Europawahl ein deutliches Zeichen gegen Rechtsruck und AfD zu setzen. Unseren Redebeiträg bei der Abschlusskundgebung könnt ihr hier nachlesen:

Liebe Genoss*innen,

in den letzten Tagen haben wir alle in unserer Stadt eine Situation erlebt, in der die Ereignisse sich überschlagen haben. Wir haben erlebt, wie sich Faschisten in unserer Stadt versammelt haben und wir haben uns ihnen entgegengestellt. Wir haben ein eindeutiges Zeichen gesetzt: Mannheim ist und bleibt antifaschistich!

Die Situation der letzten Tage war das Ergebnis konkreter Ereignisse, des Angriffs eines mutmaßlichen Islamisten auf den Rassisten Stützenberger und der rassistischen Instrumentalisierung dieser Tat durch die extreme Rechte. Die Situation, die wir erlebt und mit unserer antifaschistischen Mobilisierung mitgestaltet haben, ist aber darüber hinaus nicht zu verstehen ohne den weiteren gesellschaftlichen Kontext, in dem sie aufgetreten ist.

Erkennen können wir das an den Reaktionen auf den Vorfall. In der extremen Rechten sind die eindeutig. Vergangenen Sonntag gingen Faschist*innen aus junger Alternativer, Identitärerer Bewegung und anderen extrem rechten Organisationen in Mannheim auf die Straße. Sie versammelten sich hinter einem Banner, das eine sogenannte "Remigration" fordert. Damit meinen sie die massenhafte Deportation aller nicht in ihr völkisch besetztes Bild vermeintliche Deutscher passenden Menschen. Getarnt als Gedenken an den getöteten Polizisten versuchen sie einen neuen Grundstein für rechte Massenmobilisierungen zu legen. Was vor einem halben Jahr nach dem bekannt gewordenen "Geheimtreffen" von Potsdam für bundesweite Empörung sorgte, tragen sie damit ganz offensiv auf die Straße. Mit zutiefst rassistischen Unterstellungen Muslim*innen gegenüber wurde wahlweise Abschiebung aller Muslim*innen gefordert, oder nur die derer, die den Rechten nicht nützlich genug für die deutsche Wirtschaft erscheinen. All das fügt sich nahtlos ein in die schon lange existierende Forderung der sogenannten neuen Rechten nach einem Europa mit ethnisch reinen Staaten. Alle, die nicht den jeweiligen Vorstellungen der Rechten vom ethnischen Nationalvolk entsprechen, gehören abgeschoben, und haben von vornherein kein Recht auf Bewegungsfreiheit und Migration.

Die übrigen bürgerlichen Parteien, das Spektrum der selbsternannten Demokraten, auf der anderen Seite zeigte sich bestürzt über den Angriff. Doch sie belassen es nicht bei dieser Bestürzung: Natürlich müssen aus dem Angriff Konsequenzen gezogen werden. Wie diese aussehen sollen, ist vor allem SPD und CDU schnell klar und wird von Kanzler Olaf Scholz vor dem versammelten Bundestag ausformuliert: Nun sei es Zeit, auch nach Syrien, wo immer noch ein Bürgerkrieg tobt und das autoritäre Asad-Regime herrscht, sowie in das von den Taliban beherrschte Afghanistan abzuschieben. Er konkretisiert damit im Endeffekt seine Aussage von vergangenem November, dass nun endlich im großen Stile abgeschoben werden müsse. Während er damit voll auf Linie von CDU und FDP ist, bekundet die Grüne Partei diesen Forderungen gegenüber ihre gewohnten Bauchschmerzen, die sie am Ende jedoch, wie wir alle wissen, noch nie daran gehindert haben, jede Schweinerei mitzutragen. Die Herkunft des mutmaßlich islamistisch motivierten Täters wird so zum Anlass, in Zukunft wieder Menschen in ein islamistisches Regime abzuschieben, vor dessen terroristischer Erkämpfung sie erst geflohen sind, und wo den meisten von ihnen der sichere Tod droht.

Neben dem rassistischen Abschottungsprojekt der Rechten steht so ein weiteres, neoliberales Projekt, welches sich auch in den Ampelparteien findet. Zwar versuchen sich diese Akteure als Gegenspieler*innen zu den Rechten zu geben, im Endeffekt führt ihre Politik aber vor allem zu einem Kompromiss zwischen völkisch-rassistischer Ideologie und neoliberaler Verwertungslogik. Nach jahrelanger Unterstützung des Ausbaus der europäischen Außengrenzen immer weiter hin zu einer regelrechten Festung und Verschärfung von Asyl- und Abschiebegesetzen in Form der europäischen GEAS-Reform oder des Rückführungsverbesserungsgesetzes folgt nun eine weitere Entgrenzung.

Die Gemeinsamkeit beider Projekte lässt sich als Aufbau eines Festungskapitalismus bezeichnen. Grenzen dichtmachen, am besten noch weit vor den eigentlichen Grenzen Anrainerstaaten dafür bezahlen, migrierende Menschen aufzuhalten - ganz egal wie. Nur wer eine gerade benötigte Ausbildung oder Expertise vorweisen kann, darf auf einen Platz im Herzen der Bestie hoffen. Alle anderen werden vom Festungskapitalismus weiter in die Armut getrieben, und jede Anstrengung ihre Lebensbedingungen zu verbessern wird brutal zerschlagen. Das ist der Kompromiss, den die Rechte und Neoliberale schon seit Jahren aushandeln.

Ausgehandelt wird er vor dem Hintergrund vieler Krisen: Der Klimakrise, der Krise der Lebenshaltungskosten und der Krise des sozialen Gefüges, das der Neoliberalismus weitestgehend zum Einsturz gebracht hat. Seine Antwort auf die Krise ist simpel: Diejenigen innerhalb der Festung Europa über alle ihre Klassenwidersprüche hinweg zum Zweck der Machterhaltung ihrer herrschenden Klasse zu vereinen. Die Rechten tun das mit der alten, brutalen Rhetorik vom Nationalstaat und der Volksgemeinschaft, die vermeintlich progressiven neoliberale sprechen von Wertegemeinschaft und der gesteuerten Zuwanderung. Sie beide meinen damit ein System, das sich die Befriedung im Inneren mit rassistischer Überausbeutung und Abschottung nach außen erkauft.

Wir dürfen uns keinen Sand in die Augen streuen lassen. Wir dürfen uns nicht auf die einlassen, die den Rechten eine etwas weniger brutale Form des Festungskapitalismus abringen wollen, und das als Antifaschismus verkaufen.  Zwar müssen wir anerkennen, dass das Projekt der Neoliberalen beispielsweise für FLINTA und Queere Menschen im Inneren ein etwas weniger unterdrücktes Leben verspricht, doch kann darin niemals unsere Perspektive liegen. Unsere Perspektive ist die umfassende Befreiung!  Wir müssen dagegenhalten, und das fordern, was tatsächlich Gerechtigkeit herstellt, und nicht nur das Elend anders verwaltet. Wir müssen dem Projekt des Festungskapitalismus in seiner neoliberalen wie seiner faschistischen Form ein eigenes, organisiertes Projekt von links und unten entgegenstellen, ein Projekt der grenzenlosen Solidarität und des gemeinsamen Kampfes als Freie und Gleiche. Für Klimagerechtigkeit, Bewegungsfreiheit und ein Ende des neokolonialen Festungskapitalismus.