"Wie viele noch?" Rede zur Kundgebung am 30.12.2023

Malung mit dem Text Polizist? Mörder! 23.12.

Innerhalb von zwei Jahren haben Mannheimer Polizisten am zum dritten Mal getötet.  Am 23.12. wurde Ertekin von ihnen in Mannheim-Schönau erschossen. Als Teil der Initiative Zweiter Mai haben wir uns am 30.12. an einer Kundgebung beteiligt, um unserem Widerstand gegen die Gewalt der Mannheimer Polizei Ausdruck zu verleihen. Unseren Redebeitrag zu dieser Kundgebung dokumentieren wir im Folgenden.

Liebe Freund*innen,

mit vier Schüssen haben Mannheimer Polizisten am 23.12. Ertekin getötet. Dieser Fall reiht sich ein in eine Serie teils tödlicher Gewalt durch die Mannheimer Polizei. Wir denken dabei an Ante P., der am 2.Mai 2022 von zwei Beamten am Marktplatz zu Tode geprügelt wurde ebenso wie an den Todesfall, der sich nur eine Woche später auf dem Waldhof zutrug. Den Angehörigen der Getöteten sprechen wir unsere Anteilnahme aus.

Viele Mannheimerinnen und Mannheimer verunsichert das gewalttätige Vorgehen der Polizei. Ist die Polizei nicht da, um uns zu schützen? Warum verprügelt und tötet sie dann Menschen, die von Rassismus betroffen sind oder sich in psychischen Ausnahmesituationen befinden?

Wir sagen: In diesem Staat ist die Polizei nicht da, um für unsere Sicherheit zu sorgen. Denn was ist Sicherheit? Wirkliche Sicherheit bedeutet, dass wir alle gemeinsam und solidarisch ein Leben ohne Angst führen können. Die Polizei steht für das Gegenteil davon. Die Polizei verbeitet Angst in unseren Vierteln. Die Aufgabe der Polizei besteht nicht in der Lösung von Problemem, sondern in deren Kontrolle. Beim Fall von Ertekin sehen wir das ganz deutlich: Er hatte lange zuvor schon Probleme mit dem Jugendamt und offenbar befand er sich in einem psychischen Ausnahmezustand. Was Menschen wie er brauchen ist ein Ende der Schikanen durch die Behörde und ein Gesundheitssystem, das ihm Hilfe bei psychischen Problemen bietet, nicht eine Polizei, die sie erschießt. Denn die Polizei schreitet in solchen Situationen immer erst ein, wenn es schon zu spät ist. Sie tut nichts anderes, als die Symptome sozialer Probleme zu kontrollieren - wenn nötig mit Gewalt. Das Problem mit der gewalttätigen Polizei liegt also nicht darin, dass sie nicht richtig funktionieren würde, sondern dass sie in unserem System überhaupt nicht für wirkliche Sicherheit sorgen soll.

In der Logik der Polizei besteht die Lösung aller Probleme in einer immer weiteren Aufrüstung mit neuen Waffen und Geräten und weiteren Befugnissen. Mit den zahlreichen neuen Polizeigesetzen, die immer mehr Handlungsspielraum für die Beamt*innen zur Verfügung stellen, haben wir das in den letzten Jahren häufig erlebt. In diesem Zusammenhang steht auch die Forderung nach der Ausrüstung der Polizei mit Tasern, die nach dem Tod von Ertekin von einigen geäußert wurde. Doch das ist keine Lösung des Polizeiproblems! Taser sind vor allem für Menschen mit Herzerkrankungen potentiell tödlich. In den USA, wo ihr Einsatz weiter verbreitet ist, starben seit 2000 mehr als 1000 Menschen an den Folgen ihres Einsatzes. Vor allem aber verbleibt die Forderung nach Tasern in der Logik, auf gesellschaftliche Probleme mit einer technischen Aufrüstung des Polizeiapparats zu reagieren. Wenn wir wirkliche Sicherheit wollen, müssen wir mit dieser Logik brechen! Das heißt, dass wir beginnen müssen zu kämpfen: Für selbstverwaltete Unterstützungsstrukturen in unseren Vierteln, die soziale Probleme gemeinsam angehen! Für eine bessere Gesundheitsversorgung auch für psychisch erkrankte Menschen! Gegen Ausbeutung und ökonomische Ungleichheit, die zu großen Teilen für Krimminalität verantwortlich sind! Gegen den Rassismus in der Gesellschaft, der sich im Vorgehen der Polizei oft besonders deutlich zeigt!

Anstatt den Polizeiapparat mit immer mehr Macht auszustatten, müssen wir selbst unsere eigene Macht entwickeln. Unser Gedenken an Ertekin und Ante heißt deshalb auch kämpfen für ein Ende der Polizeigewalt und für eine wirkliche Sicherheit!