Abhaken statt aufklären? - Wie weiter nach dem NSU-Prozess?

Veranstaltungs-Rückblick
FLYER

Mitte Juli ist nach fünf Jahren das Urteil im NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München gesprochen worden. Dabei erhielten die Angeklagten Eminger und Wohlleben deutlich niedrigere Strafen, als es die Bundesanwaltschaft gefordert hatte. Das Urteil des Gerichts sollte ein Schlussstrich sein. Es stellte den NSU als abgeschottetes Trio dar, das bereits vor dem Untertauchen seine Entscheidungen alleine getroffen habe. Es sprach auch die Ermittlungsbehörden davon frei, dass sie Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nach deren Untertauchen hätten finden können und müssen. Den Verfassungsschutz und die strukturell rassistischen Ermittlungen zu Lasten der Angehörigen der Opfer erwähnte es gar nicht. Inzwischen haben alle Angeklagten Revision gegen das Urteil eingelegt, die Bundesanwaltschaft nur hinsichtlich des Teilfreispruchs von André Eminger.

Vor diesem Hintergrund haben wir einen Vertreter der Nebenklage ins Norderstedter Rathaus eingeladen, um folgende Fragen zu diskutieren:

  • Was kam im Laufe des Prozesses an Informationen zu Tage? Welche Fragen wurden nicht beantwortet?
  •  Was ist die Sichtweise aus der Perspektive der Betroffenen und der Nebenklage?
  • Wie bewerten wir den Prozess politisch?

Die Veranstaltung haben wir zusammen mit der Linksjugend Solid Norderstedt , der Partei Die Linke Norderstedt und dem Sozialen Zentrum Norderstedt e.V.  organisert.

Zu Beginn stellte unser Referent die Rolle der Nebenklage inklusive ihrer Chancen und Grenzen dar. Es folgte ein ausführlicher Bericht über den Prozessverlauf, der durch detaillierte Faktenkenntnis beeindruckte und eigene politische Bewertungen klar markierte. Dabei wurde das Wirken des Verfassungsschutzes scharf kritisiert, Verschwörungstheorien aber eine klare Absage erteilt. Es wurde die Einbettung des NSU in ein Neonazi-Netzwerk dargestellt und das Prozessgeschehen im Kontext rassistischer gesellschaftlicher Diskurse verortet.

Im Anschluss wurden Fragen aus dem Publikum beantwortet und gemeinsam weiter diskutiert. Der gemeinsame Austausch blieb politisch differenziert und sehr lebendig.